Donnerstag, 2. Mai 2024

Forum

Bin ich zu blöd?
Letzter Eintrag 02 Dez 2006 04:17 von Max. 1 Antworten.
AddThis - Bookmarking und Sharing Button Druckerfreundlich
  •  
  •  
  •  
  •  
  •  
Sortieren:
VorherigeVorherige NächsteNächste
Sie sind nicht autorisiert, um eine Antwort zu erstellen.
Autor Nachrichten Informativ
hj-bradenBenutzer ist Offline
Ganz neu hier
Ganz neu hier
Posts:


--
02 Dez 2006 10:39
    http://www.ksta.de/html/artikel/116...4632.shtml

    VON DETLEF SCHMALENBERG, 02.12.06, 06:57h, AKTUALISIERT 02.12.06, 10:23h

    Als ich neulich mein Auto in einer engen Seitenstraße geparkt hatte, wurde der Seitenspiegel von einem Lkw abgefahren. Rumms, ab war das Teil, pulverisiert für die Ewigkeit. Der Spiegel war schwarz, genauso wie das Auto.

    „Welches Schwarz?“, fragte mich der Herr aus der Werkstatt, in der ich den Wagen gekauft hatte. „Schwarz, wie Sie ihn mir verkauft haben“, antwortete ich am Telefon. So einfach sei das aber nicht, erfuhr ich. Glänzend, matt, halbseiden, mixed oder, oder, oder? „Schwarz, schauen Sie doch mal in Ihren Unterlagen nach“, antwortete ich trotzig, aber vergebens. Damit das Teil neu bestellt werden könne, müsse „ein Mehr an Informationen kommen“, wurde mir entgegnet. Hilfe verspreche ein Farbcode, womöglich eingestanzt in die Innenseite der Fahrertür.

    „FK-9876-ZZ.“ Mit fester Stimme und voller Vorfreude gab ich die - wie ich glaubte - segensvolle Nummer fünf Minuten später per Handy dem Werkstattmann durch. „Aha“, entgegnete der Herr. Die Nummer klinge interessant. Sein Computer könne zwar nicht feststellen, um welchen Farbton es sich handele: „Schwarz jedoch dürfte Ihr Auto auf keinen Fall sein.“

    Da stand ich nun, neben meinem Auto, das ich in meiner Naivität bisher für schwarz gehalten hatte. Ohne Außenspiegel, verwirrt und hilflos, wuchs in mir die Erkenntnis: Das Leben wird immer komplizierter. Nicht nur Computer oder DVD-Rekorder, selbst Kühlschränke werden mit buchdicken Anleitungen verkauft. Früher bot die Post-Abteilung „Normalzeit“ drei Modelle an: grüne, orange oder beige Telefone. Heute könnte man alleine für Handytarife ein eigenes Studienfach einrichten. Ich kenne Menschen, die nach einem Stromausfall wochenlang nicht mehr erreichbar waren. Das ISDN-Telefon hätte wieder programmiert werden müssen, das Notebook forderte die erneute Anmeldung beim WLAN-Router. „Druch dürcken von S1 Sabwechlung reigl mit Druck Off / On“, riet die deutsche Übersetzung der koreanischen Bedienungsanleitung bei derartigen Notfällen.

    Soziologen sprechen von der „neuen Unübersichtlichkeit“, vom „Zeitalter der Überforderung“.Die galoppierende Spezialisierung führe zu einer Komplexität, die nur noch Expertencliquen und Freaks beherrschen, die ihre Kenntnisse mit „gewöhnlichen“ Menschen nur noch selten teilen können - sofern sie überhaupt wollen.

    Neulich brauchte ich neue Tüten für meinen Staubsauger, Typ „Ariane“ von Hoover. In drei Läden bekam ich die Auskunft, die Beutel gäbe es nicht mehr, das Modell sei veraltet. Im vierten Geschäft erbarmte sich ein Verkäufer und blätterte in einem dicken Katalog. Eine Firma namens „Swirl“ produziere die Papiertüten „H 41“. Die seien momentan zwar nicht auf Lager, würden aber wieder geliefert und müssten „eigentlich, ich denke schon, in Ihren Sauger passen“, tröstete der Verkäufer: „Schauen Sie doch in zwei Wochen noch mal rein.“

    So lange habe ich den Staub eben in die Ecken geblasen. Ist immer noch besser gelaufen als mein Versuch, eine neue Krankenversicherung zu finden. Mehrbettzimmer oder Standardtarif? Geringe Erstattung bei Zahnarztleistungen? Komfort- oder Top-Angebot im ambulanten Bereich? Ohne Selbstbeteiligung oder „optimiertes Beitragsverhältnis“? Wie viel Euro Krankentagegeld ab dem wievielten Tag? Elementar 400, Vollmed M4, Eco 2600 oder Vital 750: „Bis zu 2000 Tarife im Gratisvergleich“ lockte ein Internetdienst. Für eine seriöse Analyse hätte ich wohl ein halbes Jahr Sonderurlaub beantragen müssen. Da habe ich einfach genommen, was ein Freund mir empfohlen hat. Wahrscheinlich war es verkehrt.

    Auf meinen digitalen Fotoapparat jedenfalls hatte ich mich gefreut, bis ich die Verpackung öffnete. Die Funktionen wurden auf 183 Broschüren-Seiten erläutert. Bei seiner Stoppuhr seien es schließlich auch schon 120 Seiten, wollte mich ein Kollege besänftigen. Interessierte mich nicht! Wie ich die Schnappschüsse aus meinem Fotoapparat herausbekomme, wurde auf einer beigelegten CD-Rom erläutert. Nur konnte ich die Info-Scheibe auf meinem Rechner nicht starten, das Ding lief einfach nicht, keine Ahnung wieso. Und mit dem Bildbearbeitungsprogramm, das in einem Begleitbrief empfohlen wurde, konnte ich mich aus Zeitgründen nicht beschäftigen, die Anleitungen waren in einem mehrere Zentimeter starken Heftchen zusammengefasst.

    Ich glaube, ich verschenke den Apparat. Genauso wie meine Mikrowelle. Ich habe keine Kraft mehr, die Wellness-Programme und Ideal-Einstellungen für Gemüse, Fisch, Fleisch oder Reis aufzuspüren. Einmal hatte ich Fischstäbchen im Gerät, ein anderes Mal Putenbrust. Beides war beim ersten Essversuch noch roh, beim zweiten angebrannt. Der „Obergrill“ hatte sich automatisch eingeschaltet. Irrsinnsarbeit, den Turbo wieder sauber zu kriegen. Irgendwann blinkte er nur noch im „Off-Modus 00:00“ und war selbst durch einen verzweifelten „Easy touch“-Programmierversuch nicht mehr zu bändigen.

    Bin ich einfach zu blöd? Wenigstens wäre ich nicht alleine. Eine Studie der Fachhochschule Gelsenkirchen zur Bedienbarkeit moderner Geräte hat ergeben, dass zahlreiche Nutzer vor lauter Knöpfen und Menüs die einfachsten Anwendungen nicht mehr finden. Ein Drittel von 1200 Testpersonen scheitertet beispielsweise daran, auf einem fremden Handy eine SMS zu schreiben.

    Angesichts des technischen Fortschritts, so schreibt der Philosoph Günther Anders, fühle sich der Mensch zunehmend „antiquiert“ und neige zur „promethischen Scham“ - er glaube, die technischen Geschöpfe seien ihm überlegen und blieben für den gewöhnlichen Erdenbürger unbeherrschbar. Ganz klar: Toaster an die Macht! Seit ein paar Tagen bin ich mit den neuen Rauchmeldern beschäftigt, die ich an die Decke geschraubt habe. Die Dinger piepsen, obwohl nichts qualmt. Die Batterien sind brandneu, daran kann es nicht liegen. Die Geräte habe ich im Laden überprüfen lassen. Sie seien in Ordnung, hieß es, ich solle die Angelegenheit weiter beobachten. Gerade piepst es wieder, als ich denke, dass es nicht alleine die Technik ist, die ratlos macht. Neulich, bei einer Recherche zur Bevölkerungsstatistik, stand geschrieben: „Die Bruttoreproduktionsrate gibt an, ob der auf eine Frau entfallene Ertrag an Mädchengeburten bei unveränderter altersspezifischer Geburtenhäufigkeit ausreicht, um sich bei Vernachlässigung ihrer Sterblichkeit selbst zu reproduzieren.“ Eisprung zum Qua drat, oder wie?

    Einem Freund, der mich fragte, wie er steuerlich veranschlagt wird, suchte ich mit Hilfe meines Steuerberaters die entscheidende Gesetzesstelle. „Die für die außerordentlichen Einkünfte anzusetzende Einkommenssteuer beträgt das Fünffache des Unterschiedsbetrages zwischen der Einkommensteuer für das um diese Einkünfte verhinderte zu versteuernde Einkommen (verbleibendes zu versteuerndes Einkommen) und der Einkommenssteuer für das verbleibende Einkommen zuzüglich eines Fünftels dieser Einkünfte“, hieß es in Paragraf 34, Absatz 1, Satz 2, des Einkommensteuer-Gesetzes. Na dann!

    Gestern wollte ich meine E-Mails abrufen, hatte aber mein Passwort vergessen. Ein sicheres Geheimwort sollte mindestens acht Zeichen haben und aus Buchstaben, Ziffern und Sonderzeichen bestehen, hatte einige Tage zuvor das „Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik“ in allen Medien gemahnt. „kn8fryä7!!2lbq“ zum Beispiel wäre ein gelungener Code.

    Wenn ich an meine Pins, Tans oder Anmeldenummern denke, wird mir schwindelig. Ich habe so was für Bankgeschäfte, die Bahnauskunft, Ebay, die Online-Rechnung meines Telefons, für Internet-Bestellungen, Handy, das elektronische Archiv in der Redaktion, den Fußalltipp mit Freunden, meine Kreditkarte, Buchungen bei der Lufthansa und den Laufchip in meinem Schuh. Geändert hatte ich auf amtlichem Ratschlag aber nur das Geheimwort für meine Mails. Jetzt konnte ich den Zettel, auf dem ich den Code notiert hatte, nicht mehr finden. Und die Hotline des Homepage-Betreibers war für mich unerreichbar, weil mein Telefon keine für die Menüführung notwendigen Tastentöne aussandte.

    Aber ich hatte sowieso keine Zeit mehr. Als Trainer einer Fußball-Mannschaft von Achtjährigen musste ich neue Bälle besorgen. Kein Problem, dachte ich. Bis ich hörte, dass es eine vorgeschriebene Ballgröße für die Altersklasse gibt. „Größe 4 und 350 Gramm“, belehrte mich ein Trainerkollege. „Größe 5 und 290 Gramm“, wusste ein anderer. Nachfragen beim Verband und beim Schiedsrichter-Obmann machten die Konfusion perfekt. Größe 5 und 350 Gramm, sagten die einen, Größe 4 und 290 Gramm, konterten die anderen. Und jetzt?

    In einem Land, in dem die Raumtemperatur auf Bürotoiletten mindestens 21 Grad betragen muss, in dem die Viehverkehrsordnung die Staatsangehörigkeit von Pferden regelt, in dem die Besitzerin einer Modeboutique 23 Euro Beschattungsabgabe für eine Markise zahlen muss, in einem Land, in dem alles geregelt zu sein scheint, können Menschen an einer Telefonbuchse zerbrechen. Wie mein Kumpel Thomas, der einen Teil der Nachbarwohnung gekauft hat, um dort sein Arbeitszimmer einzurichten.

    Die bereits vorhandene Telefonbuchse musste auf seinen Anschluss umgeklemmt werden. Bei der Telekom, der Eigentümerin des Verteilerkastens im Keller, wurde er nach seiner Kundennummer gefragt. Die hatte er nicht, da sein Telefon bei Arcor angemeldet war. „Dann müssen Sie dort nachfragen, wir sind nicht zuständig“, hieß es.

    Auf eine E-Mail an Arcor habe er zwar die Antwort erhalten, sein Problem sei registriert und es werde sich jemand melden, aber tagelang passiert nichts. Deshalb rief er an und wurde nach 20 Minuten in der Hotline vom Arcor-Kundendienst zur Technikberatung verbunden. Ja sicher, er sei zwar Kunde, aber der Kasten im Keller gehöre doch der Telekom, hieß es dort: „Da haben wir nichts mit zu tun.“ Beim erneuten Anruf bei der Telekom wurde er von der technischen Hotline zum allgemeinen Kundendienst und wieder zurück verbunden. „Keine Chance, fragen Sie bei Arcor nach“, hieß es nach langer Diskussion.

    Hilfesuchend rief er die staatliche Bundesnetzagentur an. Wer zuständig sei, müsste man mal von Anwälten prüfen lassen, bekam er zur Antwort. Er könne jetzt doch nicht auch noch juristische Expertisen veranlassen, er wolle doch nur die Buchse, klagte mein Freund. Zahlreiche Gespräche später, nach Stunden in diversen Warteschleifen, Wochen waren vergangenen, schickte Arcor schließlich einen Techniker. Der, so stellte sich heraus, war von der Telekom. Den Kasten im Keller bekam er aber nicht auf.
    Wegbeschreibung Shop
    MaxBenutzer ist Offline
    Ganz neu hier
    Ganz neu hier
    Posts:


    --
    02 Dez 2006 04:17
    ______

    Gruß
    Max



    Schreibfehler sind beabsichtigt wer am endes des Jahres die meisten gefunden hat, nimmt an einer Verlosung teil
    Sie sind nicht autorisiert, um eine Antwort zu erstellen.


    Tapatalk for Active Forums